Wo liegt bitte Livermore?
kleine Dokumentation der letzten USA Reise
Es ist schon fast jedem Piloten passiert, dass er (sie) staunend Erzählungen
anderer über das Fliegen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gelauscht hat.
So ist es auch mir ergangen, wobei neben dem Wunsch, dies einmal nachzumachen,
immer leises Bedauern im Hinterkopf mitschwang, es würde ja doch nichts werden. Im vergangenen Winter jedoch erzählte Fliegerkollege Heimo Pertlwieser von seinen Aktivitäten im Jänner 2006 in Kalifornien (Kunstflug TeilI)
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wobei er ausgedehnte Trainingseinheiten auf einer Pitts S2C absolviert hatte.
Und das auf dem interessanten Airport Livermore, ungefähr 30 Meilen östlich von
San Francisco. Klimatisch begünstigt, weil hinter einer Bergkette im Hinterland;
dort sind nämlich die San Francisco-typischen Wetterlagen mit hartnäckigen
Nebelfeldern nicht mehr
vorherrschend. Da kam natürlich die Sprache auch auf die allgemeine Fliegerei in
den Staaten, und das kleine Männchen im Hinterkopf begann wieder zu bohren. Man
muss ja nicht nur Kunstflug trainieren, das könnten wir doch auf unsere
bescheidenen Verhältnisse zurückschrauben und mit Cessnas und Pipers üben.
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Wir, das waren Peter Schmitzberger und ich. Der langen Rede kurzer Sinn: Es
dauerte nicht lange, mit Heimos Hilfe, der bereits 12 mal fliegerisch in den USA
war, bei einer relativ günstigen Flugschule eine C 172 für 90 $ Nass/Stunde zu
mieten. Das versprach eine günstige Möglichkeit zu werden, mit „größeren“
Flugzeugen Platzrunden zu schrubben, werden doch in den Staaten keine
Landegebühren eingehoben.
Am 8. Mai flogen wir von München über London Heathrow nach San Francisco, wo ein
oft gehörter Fliegerscherz, man habe um soundsoviel Uhr „aufgeschlagen“ zur
Realität wurde. Dort gelang es nämlich dem Jumbo-Kapitän, die 747 derart auf die
Piste zu knallen, dass diverse Sauerstoffmasken und Lautsprecher ihren
angestammten Platz verließen und zwanglos von der Decke baumelten. Erstaunlich,
was so ein Fahrwerk alles aushält. Aufgrund unserer Ortskenntnisse (ich war
letztes Jahr schon einmal in San Francisco) konnten wir in Kürze unser Leihauto
mit kostenlosem upgrade übernehmen. So ein kleines Auto, das wir ge-bucht
hatten, war gar nicht auf Lager.
Auch Livermore war schnell erreicht, wo die nächste Hürde auf uns wartete: Es
stellte sich nämlich als gar nicht so einfach heraus, bei der Flugschule
auszuchecken. Man begnügt sich trotz bereits erfolgter Validierung mittlerweile
nicht nur mit einem Checkflug, sondern verlangt auch eine schriftliche
„Prüfung“, die sich durchaus mit „Eingemachten“ befasst. Neben tech-nischen
Fragen zum Flugzeug (u.a. weight and balance-Rechungen) waren auch Kenntnisse
über Luftraumstrukturen, Sichten, rechtliche Belange und und und nachzuweisen.
Doch auch dieses Hindernis war bald genommen, worauf wir „unsere“ 172-er
ausfassten. Die folgenden Tage – wir blieben immerhin zwei Wochen nur zum
Fliegen – brachten jede Menge neue Erlebnisse.
Wir statteten einer ansehnlichen Anzahl von Flugplätzen und auch Airports
unsere Besuche ab
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und wunderten uns ausgiebig über die unkomplizierte Art, wie dortzulande der
Verkehr auf unkontrollierten Plätzen geregelt ist. Ob die nun Byron, Petaluma,
Watsonville oder Halfmoon Bay hießen, überall funktioniert’s nach dem gleichen
Rezept. Man gibt einfach seine Absichten bei Annäherung auf der Platzfrequenz
bekannt und setzt in der Folge sozusagen Blindmeldungen über die gerade aktuelle
Position in der Platzrunde ab. Nachdem das alle Piloten tun, ist man über den
Verkehr sehr gut informiert, hat die anderen schnell in Sicht und arrangiert
sich auch gegenseitig.
Alleine – und das kann ganz schön nervig sein – die Funkerei ist eine Sache für
sich: Die ersten Tage habe ich Greenhorn nahezu nichts verstanden, was da so
durch den Äther schwirrt. Speziell an den kontrollierten Plätzen kommt das
Kauderwelsch mit einem unglaub-lichen Slang aus den Hörern. Besonders die Damen
unter den Controllern legen eine atem-beraubende Sprechgeschwindigkeit an den
Tag, wobei sie noch während des Loslassens der Mic-Taste einen ganzen Satz
unterbringen.
Manche Plätze bergen enorme Gefahren in Form von Pilot-shops in sich, die den
Kreditkarten ganz schön zusetzen können. Mehr als entschädigen tut hingegen die
Tatsache, dass prak-tisch nirgends Landegebühren fällig werden. So kann man am
laufenden Band touch and go’s produzieren, wobei erst die nachlassende
Konzentration dem Spiel ein Ende setzt. Viele Plätze haben zwei, meist gekreuzte
Pisten, wodurch auch gezielt ausgesuchte crosswind-Landeübungen möglich waren.
Wir haben so ziemlich alles ausprobiert, low approaches, ILS approaches,
simulated engine failures, go arounds, alles mit und ohne Klappen, was das Herz
begehrt.
Ganz besondere Eindrücke bescherten uns die Flüge, wo wir bis zum Ende der
legalen Flugzeit in die Dämmerung hineinflogen. Während man zu Beginn des
Landeanfluges noch in der Sonne schwebte, sorgten die bereits beleuchtete Stadt
und die Landebahnbefeuerung in der schon dunklen Ebene für ganz besondere
Eindrücke. Nachdem es in der Gegend von Flugplätzen nur so wimmelt, legten wir
in den zwei Wochen ca. 260 Landungen auf diversen Pisten hin, wobei die
Vielfältigkeit kaum zu übertreffen ist. Flugplatz Tracy könnte man mit seiner
brettelebenen Umgebung ohne Übertreibung als Wüstenplatz betrachten, wobei
Cala-veras Airport in den Bergen beispielsweise frappierend an einen
Flugzeugträger
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erinnert - glücklicherweise ein bisschen länger, denn dort fanden wir
hinterhältige Windverhältnisse vor, die für selektive Anflüge sorgten. Auch
jenen Platz, den die space shuttles als Ausweich-landepiste benutzen, haben wir
im Tiefflug beschnuppert. Der war nicht einmal als Sperrgebiet oder so
gekennzeichnet, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre, auf der Karte fand
sich lediglich ein lakonischer Hinweis, dass man hier mit NASA-Aktivitäten zu
rechnen hätte.....
Ein traumhafter Ausflug gelang uns zum Lake Tahoe – allerdings erst im zweiten
Anlauf.
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Beim ersten Versuch haben uns die rasant steigenden Temperaturen und das nicht
minder rasant entgegenkommende Gelände zum Umkehren genötigt. Das zweite Mal
starteten wir früher, 0700 Localtime um die morgendlichen Temperaturen
auszunützen, schließlich war level off frühestens in 13.000 ft angesagt, um
wenigstens ein bisschen Polster über dem unlandbaren Gelände zu haben. Auf den
Airport Lake Tahoe wagten wir uns sowieso nicht hinein, denn dort säßen wir
vermutlich heute noch fest: 6264 ft msl! Über dem weltweit größten See in dieser
Höhe genießen wir das atemberaubende Panorama, bevor wir wieder in wärmere
Gefilde sinken. Airport Placerville liegt auf dem Rückweg, entpuppt sich
allerdings wegen der Lage (schon wieder Flugzeugträger, aber was für einer!),
der Hitze, saftigen Turbulenzen und 2583 ft msl nicht gerade als Übungsgelände.
Man lernt allerdings, dass man an jeden neuen Platz mit gehörig gespitzten
Antennen herangeht, genug Reserven einbaut, auf die Sinkrate aufpasst usw. Für
meinen Teil kann ich behaupten, dass ich in diesen zwei Wochen mehr gelernt und
erfahren habe als in den letzten Jahren zusammen.
Um es nicht ganz langweilig werden zu lassen, hat sich Heimo etliche Trainingseinheiten in der Pitts verordnen lassen,
( Kunstflug Training Teil II )
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die er beinahe täglich mit wachsender Begeisterung herunterfliegt. Das Ding mag ja wirklich enorm wendig sein, doch wenn man eine Landung beobachtet, wird man den Eindruck nicht los, es handle sich dabei um einen kontrollierten Absturz. Wenn der Pilot das Gas herausnimmt, fliegt das Ding mit einer Sinkrate wie ein Klavier. Seine instructors, die da mitfliegen, sind auch von der abgehärteten Sorte. Einer erinnert als Japaner in seiner Fliegerkombi fatal an einen Kamikazeflieger, während der andere als drahtiger Haudegen Heimo für unaussprechbare, doppelt gezwirbelte Akrobatikfiguren mit haarsträubenden Negativmanövern zu begeistern versucht.
Ein feines Erlebnis war uns vergönnt, als wir uns vorsichtig um die Kontrollzone
von San Francisco International herumtasteten und in die bay einfliegen durften.
Dann folgten nur mehr Postkartenmotive: Alcatraz aus der Vogelperspektive,
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die skyline von San Francisco, Sausalito, ja und natürlich tauchte dann die
Golden Gate Bridge vor dem Spinner auf.
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In voller Pracht, ohne Nebel, der sie ja ganz gerne verhüllt. Tage später war
auch sightseeing in SF per Auto bzw. zu Fuss angesagt, da hatten wir das
Phänomen. Dichtester Nebel, der nur andeutungsweise erahnen ließ, wo in etwa die
mächtigen Hauptpylonen des in den dreissiger Jahren erbauten, weltbekannten
Bauwerks in schwindelnde Höhen ragen. Ein Kilometer weiter beim Eisschlecken in
Sausalito herrschte auf einen Schlag wieder strahlender Sonnenschein.
Sonst waren wir nur einmal kurz ca. 4 Stunden durch unfliegbares Wetter
gegroundet. Aller-dings entstand – das war in Livermore – unmittelbar nach
Wetterbesserung der Effekt, dass sich alle Flieger wieder umso eifriger um den
Flugplatz tummelten. Der Verkehr wurde rasch heftiger, die zweite Piste mit
eigener Frequenz parallel in Betrieb genommen, Taildragger, Learjets, Warbirds,
Hubschrauber balgten sich um Landungen – und wir. Da kam es vor, dass der Turm
meint, man wäre Nr. 5 cleared to land. Und auch alle anderen gleichzeitig in der
Platzrunde, eigentlich hagelte es Flieger. Die Lady am Funk legte in diesem Fall
einen Zahn zu und man musste schon höllisch aufpassen, um die Anweisungen
mitzukriegen. Immer gefasst darauf, dass man vor einem auf dem ILS ankommenden
Jet aus der Schusslinie komplimentiert wird oder zwei gleichzeitig
hereinrauschenden Pitts höflichkeitshalber Platz macht. Da wundert’s einen nicht
mehr, wenn man sich vor Augen hält, dass in Livermore mehr als 800 (keine Null
zuviel!) Hangars stehen. Mit allem drin, was schnell und teuer ist.
Auch am letzten Flugtag lockte passables Wetter, wodurch der Gedanke, noch
einmal in Richtung SF-bay zu fliegen, konkrete Formen annahm. Der ursprüngliche
Zielflugplatz war San Carlos, wobei der Anflug auf SF-International gekreuzt
werden musste – ging mit Hilfe eines freundlichen Controllers (und des
versierten Bordfunkers) erstaunlich problemlos. Präzises Fliegen auf den
zugewiesenen Höhen war dennoch angesagt, denn man konnte die anfliegenden
„Großen“ aus nächster Nähe formatfüllend bewundern. Ein schmales
Wolken-schlupfloch erlaubte schließlich den Sprung an die Küste, wo wir bei
Postkartenwetter unserer „own navigation“ überlassen wurden.
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Wir waren uns einig, dass dieser Flug vielleicht sogar der beeindruckendste
geworden ist. Ich jedenfalls hab das Grinsen einige Zeit nicht aus dem Gesicht
bekommen. Half moon bay war diesmal bei bester Sicht zu bewundern; ein Stück des
legendären Highways No. 1, das nicht minder bekannte Cliff House, und das
Sahnestückchen, die Golden Gate Bridge wurden eifrig beschnuppert. Einen Heli
haben wir entdeckt, der auch unter der Brücke durchschwebte - das haben wir uns
dann doch nicht getraut. Eine unglaublicher Ausblick bot sich uns noch auf Pier
39 mit seinen weltbekannten Seelöwen, und als absolute Krönung schwebten wir
über downtown, deren Wolkenkratzer
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wir mit Begeisterung umrundeten.
Nach unserer letzten Landung in Livermore verzierte die Flugschule Ahart
Aviation unsere Flugbücher mit ihrem Prägestempel – ein nettes Andenken.
Statt nun beschaulich auf das Abschiedssteak zu warten, entert Heimo noch einmal
„seine“ Pitts für eine letzte Trainingseinheit. Wird mir ein Rätsel bleiben, wie
das ein Magen aushalten kann. Während wir auf die Rückkehr warten, gibt es
plötzlich Aufregung auf dem Platz: Beidseitig der längsten Piste gehen
Feuerwehren und Rettungsfahrzeuge mit typisch heu-lenden Sirenen in Stellung.
Zum Glück bleibt es nur eine Vorsichtsmaßnahme, denn einem Kollegen gelingt es
vorerst nicht, das Fahrwerk auszufahren. Nachdem bereits per Funk eine
Bauchlandung angekündigt worden war; schafft es der Pilot doch noch, die Räder „heraus-zuschütteln“.
Ich wusste doch, warum mir ein starres Fahrwerk lieber ist... Übrigens, für
manche während der bangen Minuten in Warteschleifen hängende Flieger kam die
Aufhebung der Platzsperre gerade noch rechtzeitig, Heimo’s Pitts hatte bereits
sehr wenig Sprit.
Das Resumee unsere Kalifornientournee präsentiert sich sehr erfreulich: Diese
zwei Wochen möchte ich nicht mehr missen und waren ein Erlebnis für sich. Das
grundsätzlich angepeilte Ziel, möglichst viel zu üben, konnte voll und ganz
erreicht werden. Auch die Genussflüge kamen natürlich nicht zu kurz.
Sightseeing-trips, die uns neben den bereits genannten Zielen beispielsweise
auch über den Yosemite Nationalpark
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oder in Arnie’s Hauptstadt, Sacramento führten, waren das Salz in der Suppe.
Unser mehr als brauchbares Hotel in unmittelbarer Flugplatznähe mit riesigem
Zimmer für uns drei, eifrig genutzter swimming pool, überall freundliches
Entgegenkommen und problemlose Betreuung durch die Flugschule beeinflussten den
Wohlfühlfaktor bedeutend. Irgendwie fühlt man sich verleitet, gleich für
nächstes Jahr wieder zu reservieren.
Ach ja, nur die Kreditkartenabrechnung haut man am besten gleich weg.
Franz Höller, Heimo Pertlwieser, Peter Schmitzberger
Ich freue mich immer über einen netten neuen Eintrag in meinem Gästebuch!